zurück



Rede zur Ausstellungseröffnung Eckart Meisel, Digitale Grafik 12.März - 8.Mai 2005


Eckart Meisel`s Künstlerbiografie wäre zweifellos eine Erzählung wert. Zumal ihm in absehbarer Zeit ein Jubiläum ins Haus steht.

Man könnte mit seiner Kindheit in Leipzig beginnen, mit der Faszination, die die Exponate des Völkerkundemuseums auf ihn ausübten und ausüben, mit seiner spielerischen Freude und Begeisterung an Assecoires wie farbigen Glasperlen und Knöpfen, die ihn bis heute nicht verlassen hat. Man könnte jenen vielzitierten Satz vom Sonderling, der es an keiner Akademie lange ausgehalten habe, zitieren. Man könnte davon sprechen wie er von der Malerei mit Ölfarben dazu gekommen ist Ton zu formen, Glasuren aufzutragen und zu brennen, man könnte von seiner allerersten Begegnung mit einem - heute längst antiquierten - Computer berichten und wie er vor einiger Zeit vom Zeichenstift zu Computermaus und Tastatur gekommen ist.

Doch belassen wir es bei der Möglichkeitsform, auch wenn die Verlockung groß ist, (- allein die Geschichte des Aufbaus dieser Ausstellung wäre hörenswert -) denn Eckart Meisel hat darum gebeten, weniger über ihn als seine Arbeiten zu sprechen.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere von ihnen, dass es in dieser Galerie schon einmal eine Ausstellung Eckart Meisel`s gegeben hat. Es war 1996. In dieser ersten Kaditzscher Ausstellung wurde ein repräsentativer Querschnitt seiner damaligen Arbeiten - Ölbilder, Plastik und Keramik - gezeigt. Gefäße, Krüge und Figuren brachte der Keramiker Meisel damals also ebenso mit, wie er es heute getan hat. Und es wird heute ebenso interessant sein, zu entdecken und zu vergleichen, einzudringen in die Bild- und Symbolwelten, die die keramischen Arbeiten kennzeichnen wie das malerische Werk, die die keramischen Arbeiten nicht nur zieren, denen sie vielmehr eignen, und die sie in gelungener Symbiose von Form und Bildhaftigkeit in den Rang von Kunstwerken erheben.

Doch völlig neu und auch neuartig in ihrem Wesen sind die Zeichnungen, die hier erstmals zu sehen sind.


Seit drei Jahren arbeitet Eckart Meisel am Computer. Digitale Grafik nennt er das, was entsteht. Der Faszination des neuen Mediums konnte und wollte auch er sich nicht entziehen. Und die Ergebnisse erstaunen, lassen sie doch kaum an einschlägige Computerkunst denken. Zarte, poetische Arbeiten sind mittels Maus und gebräuchlicher PC-Werkzeuge entstanden. Filigrane Linien, Figuren, die mitunter über Farbfeldern zu schweben scheinen, in durchaus archaisch zu nennender Anmutung, die Assoziationen zu frühzeitlichen Höhlenzeichnungen hervorzurufen vermag. Dünne Umrisslinien, Menschen und Tiere, Zeichenhaftes, Symbolisches.


Eckart Meisels Arbeitsweise am Computer ist nicht weniger anstrengend und aufwändig als es traditionelle grafische Verfahren sind. Es braucht seine Zeit, bis er Farbe und Form gefunden hat, so experimentiert er zum Beispiel mit eingescannten indischen Stoffen und Vogelfedern, die er Farbflächen seiner Zeichnungen unterlegt. (In dem Bild "Ich will kein Käfer sein" ist die nackte Haut einer Frauengestalt beispielsweise von einem solchen Muster durchdrungen.) Der Eindruck von Lebendigkeit und Bewegung entsteht und diese Musterung erinnert auf eigentümliche Weise an polynesische Tatauierungen.


Thematisch setzt Meisel das fort, was schon früher für seine Arbeiten charakteristisch war: Die Anrufung märchenhafter und mythologischer Bezüge, Tierdarstellungen, oft in Verbindung mit Menschen. Archetypisch anmutendes, das auch in den Titeln deutlich wird: Dame auf Einhorn, Kind mit Schlange und Schildkröte, Achilles und Schildkröte. Salome.


Wer Meisels frühere Arbeiten mit den am Computer entstandenen vergleicht kommt nicht umhin verwundert zu bemerken, dass trotz - oder wer weiß - vielleicht auch gerade durch das moderne Medium eine Linie beharrlich voranschreitet: Es ist eine Kontinuität in seinen Arbeiten zu finden, der auch ein radikaler Wechsel im Entstehungs- und Arbeitsprozess erstaunlicher Weise keinen Abbruch tut. Eine solche Kontinuität kann sich wohl nur dort zeigen, wo künstlerisches Schaffen aus einem unerschütterlichen Kern heraus erwächst.

Jener Kern, ist, so scheint es mir, der spezifisch Meiselsche Traum der Welt, der in seinen Arbeiten auf vielfältige Weise in Erscheinung tritt, Gestalt annimmt und beim Betrachter wiederum Traumwelten anspricht, in denen Mythen- und Märchenhaftes die Grenzen realer Alltagswahrnehmung im glückhaften Falle aufzuweiten vermag.


Mehrfach vertreten ist in dieser Ausstellung das Motiv von Drachen und Drachentöter, als digitale Grafik und als Plastik.

In christlicher Tradition und Ikonografie ist Georg, der Drachentöter, der Soldat, der standhaft an seinem Glauben festhält, selbst in schlimmster Bedrängnis und Tortur. Der Ritter mit Lanze und Schwert, zumeist auf einem weißen Pferd dargestellt, im Kampf mit dem Drachen ist in diesem Zusammenhang seit dem 12. Jahrhundert beliebtes Motiv in Malerei und Plastik. Der Legende nach hauste in einem See vor der Stadt Gilena in Lybia der Drache, dem nach anderen Tier- und Menschenopfern auch die durch das Los bestimmte Königstochter zugeführt werden sollte. Der Ritter Georg besiegt ihn durch das Kreuzeszeichen und durchbohrt ihn mit der Lanze, die Königstochter kann dem Drachen ihren Gürtel als Halsband umlegen und ihn in die Stadt ziehen, wo. Georg, ihn mit dem Schwert tötet, nachdem sich der König mit allem Volk taufen ließ.Soweit die christliche Legende.


Doch die Gestalt des mythischen Drachentöters ist weitaus älter und der Drachenkampf besitzt zweifellos einen eschatologischen Charakter. Die Vielzahl der Drachenköpfe kann für die Vielfältigkeit der Deutungsmuster stehen und der Ambivalenz des Drachens selbst, der, je nach Kulturkreis und religiösem Kontext, ebenso Glücksbringer wie furchteinflößendes Urtier ist, Höllenfürst und Symbol vorchristlicher Zeit, in der die Menschen in einem beseelten Naturreich mit Baum- Fluss- und Tiergeistern Konversation betrieben.....

Nun ist Meisels Totemtier offenbar ein Krokodil und das ist - bemühen wir unsere Phantasie - vom Drachen schließlich nicht sehr weit entfernt. Ist der Künstler also ein kühner Ritter, der mittels Form, Farbe und den Welterzählungen vom Ursprung der Dinge die triste Welt der Schaltkreise verändern will? Meisels Drachenkampfbild zeigt einen roten Drachen, zu Boden gekämpft, sich im Abwehrkampf noch windend, doch sein Schicksal scheint besiegelt, denn der Ritter über ihm - gänzlich in Rot - ist noch voller Kraft und gewillt den Kampf für sich zu entscheiden. Der Drachenkämpfer ist hier nicht hoch zu Ross dargestellt, vielmehr ist er mit seiner Lanze und dem liegenden Drachen verschlungen, Distanz ist im Getümmel längst verloren gegangen. Ein Reittier ist im Bildhintergrund zwar zu sehen, doch es ist merkwürdigerweise ungesattelt und scheint vollkommen unbeteiligt. Am linken unteren Bildrand hat eine blaue Blume Platz gefunden, und verkörpert die Blume an sich eine Jahreszeit, verweist die blaue Farbe auf mehr. Zweifellos wohl auch auf einen Zustand des Verlangens, der Sehnsucht nach unwiederbringlich verschwundenen Zeiten. Dafür spricht, dass weiter dahinter, sehr klein schon, man könnte sagen, gewissermaßen im Verschwinden begriffen, ein Paar zu sehen ist, Mann und Frau, andeutungsweise in Felle gekleidet. Ein menschliches Paar, das auf eine Frühzeit der Menschheit hinweist, in der wir nicht mit Maschinen, sondern mit Tieren vertrauten Umgang pflegten. So stellt sich denn die Frage: Hätte man die Drachen seinerzeit besser hegen und pflegen sollen, statt sie zu bekämpfen? Hätte man sich mit ihnen vertraut machen, ihre schuppigen Hälse berührend, sich wärmen lassen sollen von ihrem heißen Atem? Auch dies hätte gewiss Mut erfordert, Ausdauer und Entschlossenheit. Alles, was ein Kampf mit ihnen über geeignete Waffen hinaus verlangte. War es also nicht gleich, welche Form der Annäherung der Drachentöter wählte? Und sind nicht beide Möglichkeiten lediglich Variationen einer Auseinandersetzung, die nun nicht mehr möglich ist, nicht mehr möglich sein kann, weil die Drachen nicht mehr auffindbar sind, nicht mehr existieren? Unauffindbar selbst ihre schädelgesäumten Höhlen sind, unhörbar ihr donnerndes Brüllen, und wir nicht einmal mehr den versteinerten Spuren ihrer Klauen auf unseren asphaltierten Wegen begegnen können?

Es ist eine Sehnsucht nach Versöhnung, die aus diesem Bild zu sprechen scheint. Versöhnung von Mythos und technisierter Welt, der Traum von der Aufhebung der Gegensätze, die in Meisels Themen, ihrer Darstellung und seinem Arbeitsmittel zueinander finden. Und so gesehen bekommt Meisels zeichnerische Arbeit am Computer etwas Subversives. Ist es der Versuch in die selbstgerechte, hermetische Welt von 0 und 1 einzudringen mit mythischen Figuren und Symbolen, mit Vogelfedern und indischen Stoffmustern.

Meisel hat sich wohl verführen lassen, aber er hat der Vereinnahmung widerstanden. Und das ist gewiss nicht wenig. Die Künstlerautorität lässt er sich nicht von einer Maschine nehmen. Er ergibt sich nicht der Ästhetik des Computerbildes, er will sie sich dienstbar machen, will sie verändern, indem er Eigenes, unverwechselbar Meiselsches in die Maschine verpflanzt. Aus der spielerischen Annäherung an ein neues Medium ist eine Auseinandersetzung geworden. Und In letzter Instanz ist es - mag es auch allzu pathetisch klingen - ein Kampf auf Leben und Tod, der mit Mitteln der Kunst hier ausgetragen wird.

Ich möchte mit einem Zitat des ebenso verehrten wie mitunter geschmähten Dichters Hermann Hesse schließen, auf das ich im Vorfeld dieser Eröffnung eher zufällig gestoßen bin und das mir aus einem durchaus diffus zu nennenden Grund spontan auf Eckart Meisel und seine Arbeit passend erschien:

"Es ist wunderlich mit der Liebe, (sagt Hesse) auch in der Kunst. Sie vermag, was alle Bildung, aller Intellekt, alle Kritik nicht vermag, sie verbindet das Fernste, stellt das Älteste und Neueste nebeneinander. Sie überwindet die Zeit, in dem sie alles auf das eigene Zentrum bezieht. Sie allein gibt Sicherheit, sie allein hat recht, weil sie nicht rechthaben will."


Jörg Jacob



zurück